Ein Interview mit Sascha Wolter per E-Mail u.a. zur Flashplattform: Wie immer bei Interviews per E-Mail weiß man vorher nicht, ob und was sich ergibt; ich denke das Resultat ist lesenswert aber lest selbst …
Am dritten Dezember 2005 wurde Macromedia von Adobe offiziell übernommen. Kurz davor wurde Flash 8 veröffentlicht. Flash CS3 ist seit der Übernahme die erste Version, der man das anmerkt. Zum Beispiel durch die verbesserte Photoshop/Flash-Intergration. Die Migration von unterschiedlichen Produkten von Adobe und Macromedia war danach eine erste große Aufgabe für Adobe. Wie schätzt Du das Resultat dessen zurückblickend ein? An welchen wesentlichen Punkten sollte Adobe diesbezüglich deiner Meinung nach unbedingt noch arbeiten?
Die Vereinheitlichung der Oberflächen und Bedienkonzepte ist eine große Erleichterung für die Anwender. Insbesondere dann, wenn verschiedene Produkte bei der täglichen Arbeit zum Einsatz kommen. Nun hoffe ich, dass mit dem nächsten großen Update der Adobe Produktpalette ein wenig Ruhe einkehrt und man sich dauerhaft an eine Optik und ein Bedienkonzept gewöhnen kann. Und ein großer Wunsch von mir wäre, dass die Integration der unterschiedlichen Formate dabei dann nicht mehr nur eher eine Einbahnstraße bleibt. Vielmehr sollte das Ziel ein echter „Roundtrip“ sein, bei dem Änderungen an den Inhalten von allen beteiligten Tools automatisch erkannt werden.
Sascha, neben der Entwicklung von RIAs bist Du nach eigenen Aussagen als Trainer, Berater und Autor tätig. Daneben kümmerst Du dich als Gründer und Betreiber des Flashforums aktiv um die Belange von vielen Nutzern. Deine zahlreichen Aktivitäten lassen darauf schließen, dass Du ein gutes Time-Management besitzt. Benutzt Du GTD-Systeme (‚Getting Things Done‘), die dich dabei unterstützen oder wie schaffst Du das alles? Kannst Du ad hoc bspw. einschätzen, wie viel deiner Zeit Du wöchentlich oder monatlich in das Flashforum investierst?
Eigentlich habe ich nur eine schlichte Grundregel, um die zahlreichen Aufgaben erledigt zu bekommen: Ich erledige anfallenden Aufgaben einfach möglichst sofort und schiebe diese nicht auf die lange Bank. Der Nachteil dieser Strategie ist, dass ich mit fünf Tagen die Woche acht Stunden am Tag natürlich nicht auskomme. Aber meine Arbeit ist ja auch mein Hobby, so dass das nicht so weh tut.
Du hast Informatik studiert und bis dann einige Jahre später über Director auf Flash gestoßen. Kannst Du einschätzen, inwieweit Dir das Informatikstudium heute beim Arbeiten mit Flash/Flex hilft und würdest Du ein Informatikstudium als Grundlage empfehlen, wenn sich jemand in erster Linie für die Entwicklung mit der Flash-Plattform interessiert.
Eine solide Ausbildung kann ich jedem nur empfehlen! Dabei ist es grundsätzlich erst mal egal, ob das durch ein Hochschulstudium oder auf andere Art und Weise erfolgt. Ich kenne viele Seiteneinsteiger die bessere Arbeit machen als so mancher Akademiker.Dennoch habe ich im Studium zwei wichtige Dinge gelernt: Aufgaben strukturiert anzugehen und Probleme schnell zu erfassen. In einem Informatikstudium bekommt man dann noch ganz nebenbei ein Verständnis für die eher theoretischen, mathematischen und technischen Zusammenhänge vermittelt – man sollte nur den Bezug zur Praxis nicht aus den Augen verlieren.
Eine persönliche Zwischenfrage sei mir gegönnt: Du warst einer der ersten Autoren, die ein Fachbuch über Flash (4), dass nach meinen Informationen das bisher erfolgreichste Buch in diesem Bereich ist, herausgegeben hast. Ich selbst habe das Buch gerne gelesen. Das Buch umfasst 323 Seiten. Kannst Du dich daran erinnern, wie lange Du für das Schreiben des Buchs gebraucht hast?
Oh ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Und das war eine ganze Menge Arbeit – gerade, da es mein erstes Buch war. Und ich habe in der Tat mal versucht, den „echten“ Aufwand zu ermitteln und bin dabei auf fast sechs Monate gekommen. Jetzt wo ich mehr Erfahrung habe, geht das zwar schneller, aber dennoch braucht es immer noch viel Zeit, möchte man etwas besonderes machen, dass sich von den kostenlosen Inhalten des Internets und dem Handbuch unterscheidet. Aus diesem Grund habe ich Gefallen an Video Trainings gefunden: Das ist ein ganz anderes Medium und erlaubt eine sehr anschauliche Darstellung der Lerninhalte (http://www.wolter.biz/2008/04/17/flex-3-grundlagen-training-auf-dvd/).
Meinem Eindruck nach konnte sich Microsoft Silverlight als direkte Konkurrenz zu Flash bisher nicht am Markt etablieren. Nachdem jetzt die zweite Version in den Startlöchern steht, könnte man vermuten das Microsoft mit Manpower und einem langen finanziellen Atem, ähnlich wie bei der X-Box, sich auf Dauer etablieren könnte. Wie beurteilst Du das? Ist deiner Meinung nach Silverlight eine direkte Konkurrenz zu Flash oder wo liegen deiner Meinung nach wesentliche Unterschiede?
Die Diskussion über die Vor- und Nachteile von Flash, Silverlight und anderen Technologien wie AJAX verfolge ich gespannt und habe mich damit in meinem eigenen Blog auch selber intensiv beschäftigt (http://www.wolter.biz/tag/silverlight/). Dabei ist es mir wichtig, nicht nur die häufig eher theoretisch geprägten Vergleiche von Features zu berücksichtigen, sondern auch eigene Erfahrungen und die Bedürfnissen aus der Praxis mit einfließen zu lassen. Und dabei erfährt man von den Kunden, dass nicht nur die Verbreitung der Abspielumgebung sondern auch die Qualität der Werkzeuge, die Prozesse und die verfügbaren Entwicklerressourcen wichtige Argumente für eine Entscheidung sind. Klar, dass da Gestalter eher zu Flash tendieren. Klassische Systemhäuser oder Enterprise-Unternehmen mit C# geprägten Entwicklungsabteilungen sind jedoch Silverlight gegenüber durchaus aufgeschlossen. Und der größte Teil der Anwendungen im Netz kann ja so oder so mit jeder der oben genannten Technologien realisiert werden – es stellt sich halt nur die Frage zu welchen Kosten und in welcher Zeit.
Ich denke, dass Adobe die nächste Zeit an der Syntax von ActionScript 3 festhalten wird. Aber natürlich wird es immer wieder Erweiterungen geben. Und mit Pixel Bender (Codename Hydra) ist ja bereits eine komplett neue Sprache vorgestellt worden, die jedoch ActionScript nicht ersetzen sondern bei speziellen Aufgaben ergänzen soll.
Da sich die Berichte um eine neue Flash Version häufen und es bereits zahlreiche Ankündigungen sowie eine Beta des Flash Player 10 gibt, wird eine neue Flash Version vermutlich noch dieses Jahr erscheinen.
Das zunehmende Engagement anderer Unternehmen im Bereich der Rich Applications führt zu mehr Innovation. Schließlich möchte Adobe mit dem Flash-Format die Pole-Position im Bereich der Rich Applications behalten. Und neuen Funktionen des Flash Players wie 3D oder Bones führen ganz sicher auch zu neuen Anwendungen.
Und selbst wenn sich vielleicht die prozentualen Zahlen der Marktanteile verschieben, werden die Flash-Plattform und die Flex-Produktfamilie weiter erfolgreich fortbestehen. Denn nicht trotz sondern dank der zunehmenden Konkurrenz gibt es auch zunehmend Interessenten für diese Technologien wodurch der Markt weiter wächst.
Zu den Anfangszeiten von Flash gab es neben einer großen Benutzerzahl auch sehr viele negative Meinungen zu Flash, die nicht zuletzt durch viele langatmige, ladezeitintensive und teilweise überflüssige sogenannte ‚Intros‘ bestärkt wurden. Das gehört inzwischen der Vergangenheit an. Dennoch gibt es nach wie vor kritische Anmerkungen dazu, z. B. von Programmierer aus etablierten Sprachen, wie C++, die Flash als Entwicklungsplattform nach wie vor nicht ernst nehmen. Sind die Meinungen derer aus deiner Sicht berechtigt und wenn nicht, welche Gründe gibt es dafür?
Mittlerweile finde ich diese seit gut 10 Jahren andauernde Diskussion etwas müßig, da es doch nicht in erster Linie um die Technologie sondern um die eigentliche Anwendung geht. Und außerdem gibt es ja genügend Beispiele für den gelungenen Einsatz von Flash und Flex. Dies sollte auch dem letzten Zweifler klar machen, dass schlechte Beispiele nicht zwangsläufig der Technologie anzukreiden sind sondern in der Verantwortung des Anwenders liegen. Dennoch sollten die Hersteller der Produkte sich noch mehr Bemühen, den Anwender dabei zu unterstützen: Vorgefertigte Oberflächen wie bei Flex und Silverlight sowie Best Practice Empfehlungen sind ja schon vorhanden und ein Schritt in die richtige Richtung.
Danke für deine Zeit und deine Antworten.